Das belgische Wissenszentrum „Surveillance of Antibiotic Consumption“ (AMCRA) hat unter Federführung von Professor Jeroen Dewulf den Antibiotika-Einsatz in der belgischen Tierhaltung fest im Visier.
In der 2014 verabschiedeten „Vision 2020“ definierte AMCRA ehrgeizige Ziele für die drastische Reduzierung des Therapeutikums bis 2020. Als Referenzjahr diente 2011.
Im Fokus des kürzlich veröffentlichten BelVet-SAC-Jahresberichts 2020 stand neben dem letztjährigen Verbrauch auch die Entwicklung des antibiotischen Tierarzneimitteleinsatzes von 2011 bis 2020. Fakt ist, dass im genannten Zeitraum die Futtermittelmengen mit Antibiotikazusatz in der belgischen Nutztierhaltung um 70,4 Prozent reduziert wurden. Gleichzeitig war der Einsatz sogenannter kritischer Antibiotika um 70,1 Prozent sowie der therapeutische Antibiotikaeinsatz in der belgischen Nutz- und Haustierhaltung um 40,2 Prozent rückläufig.
Damit wurden die äußerst ambitionierten Pläne der „Vision 2020“ allerdings nur zum Teil realisiert: während im Bereich der Futtermittel mit antimikrobiellem Zusatz das Ziel um mehr als 20 Prozent übererfüllt wurde, verfehlt der Antibiotika-Gesamtverbrauch bei Nutz- und Haustieren um knapp zehn Prozent das angepeilte Niveau. Die kritischen Antibiotika waren auf dem besten Weg, das Soll zu erfüllen, wurden auf der Zielgeraden aber durch den Einsatz von Fluorchinolon-Antibiotika (+ 32,1 Prozent) in der belgischen Geflügelhaltung ausgebremst. Dank der guten Ergebnisse der Vorjahre fehlten bis zum Erreichen des Ziels 2020 hier am Ende noch 4,9 Prozent.
Nichtsdestotrotz hat AMCRA-Koordinatorin Dr. med. vet. Fabiana Dal Pozzo eine positive Bilanz gezogen: „Im neunjährigen Berichtszeitraum wurde der Colistin-Einsatz in der belgischen Tierhaltung um 71,3 Prozent reduziert. Dies ist ein wichtiges Signal, denn dieses Reserveantibiotikum kommt in der Humanmedizin bei schwerwiegenden Infektionen mit multiresistenten Keimen zum Einsatz.“
Als zielführend wertet die Veterinärmedizinerin auch das von AMCRA initiierte Benchmark-System, das belgischen Nutztierhaltern die Möglichkeit bietet, ihren Antibiotika-Verbrauch mit dem ihrer Berufskollegen zu vergleichen: „Im Bedarfsfall eröffnet das Tierhaltern die Möglichkeit, gemeinsam mit ihrem Betriebstierarzt Korrekturmaßnahmen einzuleiten.“
Im Bereich der Überwachung von Antibiotikaresistenzen gibt es laut AMCRA ebenfalls Positives zu berichten: „Wir haben festgestellt, dass sich der Abwärtstrend bei der Anzahl der multiresistenten E. Coli-Bakterien, die von Tieren stammen, im Jahr 2020 fortsetzt, ebenso wie der Rückgang der Antibiotikaresistenz gegen kritisch wichtige Antibiotika".
Getreu dem Motto ‘Nach dem Ziel ist vor dem Ziel’ hat AMCRA in der Anfang 2021 verabschiedeten „Vision 2024“ gemeinsam mit den belgischen Behörden, dem Föderalen Öffentlichen Dienst Volkgesundheit und der Belgischen Agentur für die Sicherheit der Nahrungsmittelkette eine neue Strategie für den Zeitraum 2021-2024 ausgearbeitet. So ist unter anderem die Festlegung von tierartspezifischen Grenzwerten auf Betriebsebene geplant. Auch beim Thema Fütterung wurde bereits die nächste Phase eingeläutet: Bis Ende 2024 will die Branche mit Antibiotika angereicherte Futtermittel im Vergleich zu 2011 um 75 Prozent reduzieren. Bis 2030 soll hiermit dann komplett Schluss sein. Um dieses Ziel zu erreichen, wird an einigen Schrauben gedreht: So müssen die Tierärzte die Daten zum verordneten Antibiotikaeinsatz bereitstellen. Ferner werden neben den landwirtschaftlichen Betrieben auch die Veterinäre einem Benchmarking unterzogen. Bei auffallend hohem Einsatz wird ein Korrekturprogramm erstellt. Künftig darf maximal ein Prozent der Unternehmen dieser Kategorie angehören.
Ganz klar auf dem Schirm hat AMCRA weiterhin auch das Antibiotikum Colistin. “Um das Ziel von 1 mg je Kilogramm Biomasse bis Ende 2024 zu erreichen, ist die weitere Reduzierung des Medikaments unabdingbar. Deshalb hat sich die belgische Futtermittelindustrie verpflichtet, bis spätestens Ende 2021 ganz auf Colistin-Zusätze in Futtermitteln zu verzichten“, erklärt die AMCRA-Koordinatorin.
Beim Gesamtverbrauch von Antibiotika in der Nutztierhaltung verfolgt die Branche für 2024 ebenfalls ein ehrgeiziges Ziel: Bis dahin soll deren Einsatz im Vergleich zu 2011 um 65 Prozent sinken.