Seit der Einführung der Antibiotika sind gerade mal 70 Jahre vergangen. Während das Therapeutikum anfangs als Wundermittel sowohl für die Human- als auch für die Veterinärmedizin gepriesen wurde, werden wir nunmehr mit dessen Nebenwirkungen konfrontiert: Bakterien werden resistent, was zu Gesundheitsbeeinträchtigungen führt. Es ist höchste Zeit, den Antibiotika-Einsatz zu reduzieren. Prof. Dr. Jeroen Dewulf von der Universität Gent erläutert im Rahmen des von Belgian Meat Office organisierten Round Table den Aktionsplan sowie die Ergebnisse in der belgischen Nutztierhaltung.
"Jeder Antibiotikaeinsatz impliziert, dass aktiv auf Resistenz selektiert wird. Dieser Kollateralschaden ist omnipräsent“, unterstreicht Prof. Dr. Jeroen Dewulf. Der Fachmann auf dem Gebiet der Veterinär-Epidemiologie zeichnet den Einsatz von Antibiotika in der belgischen Nutztierhaltung auf und ist in Programme involviert, die die Verabreichung des Medikamentes auf ein nachhaltiges Niveau reduzieren müssen.
Eine Welt, eine Gesundheit
„Wir leben in einer Welt, in der Menschen, Haustiere, Nutztiere und Wild eine große Einheit bilden. Unsere Maßnahmen in der Nutztierhaltung haben deshalb auch Auswirkungen auf unsere eigene Gesundheit. Auch umgekehrt können Menschen Tiere infizieren, wie z. B. mit der MRSA-Bakterie“, illustriert Dewulf. „Dank strenger Kontrollen entdecken wir kaum Antibiotika-Spuren in dem Fleisch, das wir konsumieren. Werden wir dennoch fündig, so handelt es sich um extrem niedrige Dosen, die keinesfalls zu Resistenzen führen können.“
„Jeder Antibiotika-Einsatz hat als Nebenwirkung, dass resistente Bakterien selektiert werden. Das liegt in der Natur der Sache. Dieser Kollateralschaden kann aber eingegrenzt werden, wenn äußerst selektiv mit dem Wirkstoff umgegangen wird. So spielt die Gesamtmenge verabreichter Antibiotika eine vordergründige Rolle. Ferner sind Dosis und Therapiedauer entscheidende Faktoren. Zudem kann die Resistenz eingedämmt werden, wenn statt Breit- auf Schmalspektrum-Antibiotika zurückgegriffen wird. Last but not least ist die Verabreichungsweise von essentieller Bedeutung: Die individuelle Therapie der Tiere ist deutlich effizienter als die orale Anwendung über Futtermittel oder Trinkwasser.“
Erfolgreicher Aktionsplan führt zu Reduzierung
Anhand des nationalen Berichts von BelVet-Sac, dem Belgian Veterinary Surveillance of Antibacterial Consumption, wird der Antibiotikaeinsatz in der belgischen Nutztierhaltung seit 2011 streng überwacht. So werden die Auswirkungen der Maßnahmen sichtbar und kann die antimikrobielle Medikation schneller reduziert werden. Die verwendete Antibiotika-Art spielt in puncto Resistenz eine erhebliche Rolle. Deshalb beschäftigt sich der Bericht näher mit den unterschiedlichen Antibiotika-Typen. Der Bericht weist aus, dass in der belgischen Nutztierhaltung entschieden gegen den Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika vorgegangen wurde.
AMCRA, das Wissenszentrum ‘Antimicrobial Consumption and Resistance in Animals’ hat gemeinsam mit Belpork (siehe Seite 4-5), konkrete Aktionspläne mit ambitionierten Zielen erarbeitet, die dazu führen sollen, den Antibiotikaeinsatz in Belgien bis 2020 drastisch zu reduzieren. Die Ergebnisse können sich sehen lassen. AMCRA hat drei Ziele formuliert, die bereits erreicht wurden bzw. in Reichweite sind.
Vermeidung ist die beste Option
„Derzeit ist der therapeutische Antibiotikaeinsatz noch Bestandteil der belgischen Nutztierhaltung. Das muss sich ändern, denn auch ohne dieses Medikament ist die Viehhaltung möglich. Deshalb konzentrieren wir uns auf die allgemeine Gesundheit in den Betrieben, denn in Betrieben mit gesunden
Tieren besteht kein Bedarf an Antibiotika. Das ist gut für das Tierwohl, gut für den Kampf gegen die Antibiotikaresistenz und gut für den Erzeuger, der weniger für Tierarzneimittel aufwenden muss“, so Dewulf.
„Um dies zu realisieren, müssen wir individuelle Betriebe ermutigen, Maßnahmen zu ergreifen. Es gibt bezüglich des Antibiotikaeinsatzes allerdings große Unterschiede von Betrieb zu Betrieb. Über individuelle Benachrichtigungen können die Betriebe selbst ihren Fortschritt evaluieren und einen Benchmark mit Berufskollegen vornehmen. Dank dieser Benachrichtigungen sind wir in der Lage, Großverbraucher schnell zu identifizieren. Das eröffnet uns wiederum die Möglichkeit, gezielt zu handeln und den Antibiotikaeinsatz künftig drastisch zu reduzieren“, schließt der Professor.