
Jahre wieder lädt Belgian Meat Office die europäische Fleischfachpresse zu einem Round-Table-Gespräch nach Belgien ein. In diesem Jahr nahmen fünf belgische Jungunternehmer an der Podiumsdiskussion in Gent teil, die unter das Motto gestellt wurde ‘Die Zukunft der Fleischwirtschaft: Stimmen der nächsten Generation.‘
‘Markenzeichen der belgischen Fleischwirtschaft sind kleine und mittlere Familienunternehmen. Einige von ihnen werden heute von der vierten oder fünften Generation geführt‘, sagt Joris Coenen, Manager von Belgian Meat Office. ‘Familienunternehmen haben eines gemeinsam: sie alle haben eine einzigartige, langfristige Vision, die über eine Generation hinausreicht. Das ist eine völlig andere Herangehensweise als beispielsweise bei börsennotierten Unternehmen, die oft nicht über das nächste Quartal hinausblicken.‘
‘Das Unternehmen ist Dein Erbe’
War es selbstverständlich, in das Familienunternehmen einzutreten oder wäre auch ein anderer Weg denkbar gewesen?
Frederick Hemelaer: ‘Das Unternehmen war schon immer da. Bereits als Jugendlicher habe ich mich eingebracht, wo ich konnte. Trotzdem habe ich mich nach meinem Studium für einen Job in der Finanzwelt entschieden, bis mein Vater an mich herantrat. Er überließ mir die Leitung eines eigenen Projektes und das hat meine Entscheidung zugunsten unseres Unternehmens reifen lassen. Ich musste nicht lange überlegen, schließlich ist das Unternehmen dein Erbe, dein Vermächtnis, das zudem deinen eigenen Namen trägt. Ich habe noch eine Schwester, der die gleichen Rechte zustehen, wie mir. Derzeit orientiert sie sich im Unternehmen; danach steht es ihr frei, den für sie besten Weg einzuschlagen.‘
Marie Lambrecht: ‘In meiner Kindheit und Jugend waren Gespräche über das Unternehmen in unsere Familie an der Tagesordnung. Ich suchte unseren Betrieb regelmäßig auf und arbeitete sogar von Zeit zu Zeit dort. Nach meinem Studium hat mir die Arbeit beim Feinkost- und Convenience-Markt Cru der Colruyt-Gruppe viel Spaß bereitet. Eines Tages kam die alles bedeutende Frage meines Vaters und ich dachte: ‘Warum nicht?‘. Nachdem ich das ganze Unternehmen durchlaufen hatte, habe ich mich bewusst für die Rolle der Personalleiterin entschieden. Eine meiner beiden Schwestern ist als Vorstandsmitglied ebenfalls fest im Unternehmen eingebunden.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Von Kindesbeinen an, war ich in unser Unternehmen involviert. Es war allgegenwärtig, sogar am Küchentisch. Aber ich wollte eine andere Richtung einschlagen: die Arbeit, in der von vielen Unsicherheiten geprägten Branche, schien mir zu hart. Deshalb habe ich mich zunächst für einige externe berufliche Herausforderungen entschieden, auch im Ausland. Bis große Investitionen bei Delavi anstanden und die Meinung der neuen Generation gefragt war. Als Ältester dieser Generation waren zunächst alle Augen auf mich gerichtet. Schnell war die Entscheidung gefallen, den Sprung in das Unternehmen zu wagen, und ich muss sagen, dass die Leidenschaft für den Job und das Unternehmen nicht lange auf sich warten ließ.
In unserer Familie ist klar definiert, dass nur einer Person pro Familienzweig der Einstieg in das Unternehmen vorbehalten ist. Aktuelle Geschäftsführer sind meine Mutter und mein Onkel; mein Vater und meine Tante sind ebenfalls im Unternehmen tätig. Weil ich mich für eine Mitwirkung in unserem Unternehmen entschieden habe, bleibt meiner Schwester diese Möglichkeit leider verwehrt. Das sind Dinge, die geklärt werden müssen.’
Quentin Claeys: ‘Mein Vater hat Arbeit und Privatleben stets klar voneinander getrennt, so dass ich anfangs wenig Bezug zum Unternehmen hatte. Nach meinem Studium in den USA war ich dort im Heimtierfuttervertrieb tätig, was mir sehr viel Spaß bereitet hat. Dann kam Corona. Statt geschäftlich zu reisen, saß ich plötzlich zu Hause. Just zu diesem Zeitpunkt wurde in unserem Familienunternehmen die Stelle eines Vertriebsmanagers frei. So habe ich dann den Schritt ins Unternehmen gewagt und bis heute nicht bereut, denn die Arbeit erfüllt mich mit sehr viel Freude. Ob ich später die Nachfolge meines Vaters antreten werde, steht in den Sternen. Die Fleischbranche ist vornehmlich eine Männerdomäne. Deshalb lässt mich das Gefühl nicht los, dass die Wahl eher auf mich, statt auf meine Schwestern fallen wird. Ob ich der nächste CEO sein werde, weiß ich allerdings nicht. Spaß an der Arbeit zu haben, ist viel wichtiger. Wenn jemand anderes besser für diese Rolle geeignet ist, dann habe ich kein Problem mich anderen Aufgaben zu widmen.‘
“Respekt ist das Schlagwort”
Gibt es manchmal unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Generationen? Wie geht man in einem Familienunternehmen damit um?
Marie Lambrecht: ‘Unterschiedliche Sichtweisen zwischen den Generationen erachte ich als Chance. Jeder will das Beste für das Unternehmen. Wenn man sich respektvoll in Gesprächen begegnet und sachlich diskutiert, dann bahnt sich meist eine Lösung an.‘
Bram Van Hecke: ‘Aus eigener Erfahrung kann ich nur sagen, dass sowohl traditionelle Gepflogenheiten, als auch neue Erkenntnisse ihre Daseinsberechtigung haben. Durch ein offenes Miteinander beider Parteien lässt sich viel erreichen.‘
Quentin Claeys: ‘Auch für mich heißt das Schlüsselwort „Respekt“. Ab und an muss jeder sein Ego zurückstellen damit es nach vorne geht.'
Alexander Vandenberghe: ‘Ich schließe mich meinen Kollegen an. Hinter Meinungsverschiedenheiten verbirgt sich häufig ein enormes Potenzial. Wichtig ist allerdings, wie man damit umgeht. Im Gespräch muss ausgelotet werden, wo die unterschiedlichen Positionen auseinanderdriften. Durch gründliche Analyse wird die definitive Wahl oder Entscheidung auf ein solides Fundament gestellt.‘
‘Auch nach zehn Jahren sollte man in der Lage sein, Trends aufzugreifen!‘
Gelingt es der jungen Generation besser als der vorherigen, neuen Trends und Entwicklungen zu entsprechen?
Alexander Vandenberghe: ‘In gewisser Weise ja, aber das ist natürlich nur ein vorübergehender Effekt. Auch nach zehn Jahren sollte man noch in der Lage sein, neue Trends aufzugreifen.‘
Bram Van Hecke: ‘Als junger Mensch ist man unbedarft. Deshalb begegnet man neuen Trends völlig unvoreingenommen.‘
Quentin Claeys: ‘Meiner Meinung nach sind solche Entscheidungen nicht generationsabhängig. Bereits vor sechs Jahren, bevor ich zum Unternehmen kam, hat die Belgian Pork Group eine vegetarische Produktionslinie lanciert. Die Verkaufsmengen unserer ausgezeichneten, schmackhaften Produkte blieben allerdings hinter den Erwartungen zurück. Der vegetarische Markt ist ein äußerst gesättigter, hart umkämpfter Markt. Geld draufzulegen ist nicht nachhaltig. Deshalb haben wir vor einem Jahr die vegetarische Erzeugung eingestellt.‘
‘Für uns geht es darum, zu den Überlebenden zu gehören!‘
Infolge gesellschaftlicher Erwartungen und politischer Entscheidungen schrumpft die Nutztierhaltung. Wie ist sichergestellt, dass Ihr Unternehmen auch künftig über genügend Rohstoffe verfügt?
Marie Lambrecht: ‘Das ist in der Tat eine sehr große Herausforderung. Fakt ist, dass der Nutztierbestand in unserem Land abnimmt. Das wird zweifelsohne zu Konsolidierungen in der Fleischwirtschaft führen. Für uns geht es darum, zu den Überlebenden zu gehören. Danis zieht gemeinsam mit vielen familiengeführten schweinehaltenden Betrieben in der gesamten Wertschöpfungskette an einem Strang. Das verschafft uns einen enormen Vorteil.‘
Frederick Hemelaer: ‘Die Rindersparte ist bereits seit geraumer Zeit mit dieser Herausforderung konfrontiert. Viele Landwirte geben auf. Deshalb muss man sich nach neuen Lieferanten umschauen, was sich als extrem schwierig gestaltet.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Wir müssen vor allem nach Schweinehaltern mit Zukunftspotenzial suchen. Deshalb ist es besonders wichtig, dass der Landwirt Geld verdient. Nur so ist gewährt, dass uns ausreichend Schweine zur Verfügung stehen.‘
Bram Van Hecke: ‘Ein Nachfragemarkt mag für die Veredelungsindustrie nicht ideal sein, trotzdem ist das besser. Wenn in der Wertschöpfungskette Geld verdient wird, führt das zu mehr Innovation, was der Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Branche zugutekommt. So bleiben alle alert. Natürlich ist dies kein Plädoyer für eine Regierung, die vorschreibt, wie stark der Viehbestand reduziert werden muss.
Die Regierung muss eine Richtung für die Zukunft vorgeben. Konkrete Zahlen vorzuschreiben erachte ich hingegen nicht als zielführend. Heutzutage ist es in der Politik verlockend, alle paar Monate einen neuen Vorschlag zu machen, weil das mehr Medienaufmerksamkeit erzeugt. Eine stabile Politik wird leider im Moment nicht belohnt, obwohl wir genau das brauchen. Ehrgeiz in der Politik ist etwas, was ich begrüße, aber man muss den Leuten Zeit und Raum geben, mitzuhalten, sonst steigen sie aus.‘
’Beharrlichkeit in der Politik’
Ist die Regierung heute Freund oder Feind der Fleischwirtschaft?
Quentin Claeys: ‘Ich sehe das nicht so schwarz-weiß. Wichtig ist allerdings, dass Leute mit Fachkompetenz den Kurs der Politik mitbestimmen.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Ich wünsche mir insbesondere Beharrlichkeit in der Politik, die sich dann auch traut, alles ins rechte Licht zu rücken. Wir leben in einer reichen Region, in der wir uns Gedanken machen über Sachverhalte, die in anderen Regionen keine Rolle spielen. In der Vergangenheit haben Krisen zu politischen Entscheidungen geführt, die uns heute höchste Standards garantieren. So z.B. die Dioxinkrise, die Schweinepestkrise usw. Dabei fällt mir das Sprichwort ein: „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“.‘
Bram Van Hecke: ‘Die Politik sollte deutlich konsequenter agieren. Hier denke ich zum Beispiel an den Green Deal. Es ist an sich gut, dass die Karte der Nachhaltigkeit gezogen wird, aber dann müssen die Politiker auch sicherstellen, dass die Folgen dieser Entscheidung getragen werden. Diese Konsequenzen sollten auch auf andere Bereiche ausgeweitet werden, etwa die Handelspolitik. Gleichzeitig sticht ins Auge, dass die Landwirtschaft heute einen negativen Touch hat. Wir müssen das, was wir bereits erreicht haben, in ein positives Licht rücken, ohne die Herausforderungen aus den Augen zu verlieren. Hier ist auch die Politik gefordert. Auch sie sollte sich auf die Fahnen schreiben: „Wir sind jetzt bereits gut aufgestellt, was aber nicht heißt, dass wir nicht noch besser werden können.“‘
“Mit Storytelling kann man Leute abholen“
Verpasst die Branche keine Chancen? Sollte die Fleischwirtschaft nicht selbst definieren, wo sie hin will und zu welchem Preis?
Marie Lambrecht: ‘Dem kann ich nur zustimmen. In der Tat sollten wir als Branche mehr Eigeninitiative ergreifen.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Wahrheit muss Wahrheit bleiben: Der Prozess, unterschiedliche Meinungen, Erkenntnisse und Studien in konstruktiver Politik zu bündeln ist kein leichtes Unterfangen und war es auch nie. Aber so funktioniert nun einmal die Demokratie; wir sollten uns trauen, mitzumischen.‘
Bram Van Hecke: ‘Es reicht nicht, einen Plan auf den Tisch zu legen. Die Trümpfe sollten ausgespielt werden. Mit Storytelling etwa kann man Leute abholen. Heute hat die Fleischbranche keine Geschichte, aber es wird eine Geschichte über die Branche erzählt.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Wir sollten den Menschen nicht nur sagen, was wir tun, sondern auch, warum wir es tun. Früher wusste jeder, was es bedeutet, Tiere zur Fleischerzeugung zu halten. Aber wir haben Mauern um unsere Bauernhöfe und um unsere Schlachthöfe gebaut, so dass niemand mehr weiß, was hinter diesen Mauern passiert. Das sollten wir ändern.'
‘Permanente Evolution’
Welche Zukunft steht der belgischen Fleischwirtschaft bevor?
Quentin Claeys: ‘Ich denke nicht, dass sich sehr viel ändern wird. Die belgischen Fleischunternehmen waren schon immer sehr innovativ und haben sich stets erfolgreich neuen Herausforderungen gestellt. Das wird auch in Zukunft nicht anders sein. Ich erwarte auch keine großen Unterschiede bei den Essgewohnheiten. Im Vergleich zur Esstradition unserer Großeltern stelle ich jedenfalls keine bahnbrechenden Unterschiede fest.‘
Alexander Vandenberghe: ‘Ich sehe eher eine permanente Evolution, keine Revolution. Heute gehen Veränderungen sehr schnell vonstatten. Als Betriebsleiter muss man seinen Finger stets am Puls der Zeit haben, sonst hat man morgen keine Existenzberechtigung mehr. Ich glaube fest an die Devise: Beobachten, bewerten und dann anpassen oder innovieren.‘
Marie Lambrecht: ‘Gut wird in Zukunft nicht mehr gut genug sein. Wir müssen die Dynamik in unserem Sektor ändern. Die Negativität muss verschwinden. Auf einem unserer Bauernhöfe arbeitet eine Vegetarierin. Sie sagt: „Es wird immer Fleisch konsumiert werden. Durch meine Arbeit kann ich dafür sorgen, dass die Tiere ein gutes Leben haben, bevor sie geschlachtet werden.“ Darauf sollten wir doch stolz sein, oder?'
